Wurden in Ihrem Unternehmen auch schon etliche KI und Machine Learning Initiativen gestartet, doch nur die wenigsten gingen jemals produktiv?

Fakt ist, vom Trend datenbasiert zu entscheiden profitieren seit vielen Jahren nicht die Unternehmen, sondern in erster Linie die Anbieter von Business Intelligence - und Analytics Software. Die massiven Investitionen in die Bereitstellung von immer mehr Daten, Berichten und Dashboards konnten Entscheidungen in Unternehmen kaum verbessern, im Gegenteil dauern Entscheidungsprozesse heute länger denn je. Das wird sich auch mit der nächsten Softwareversion und der leistungsfähigeren KI nicht ändern. Warum das so ist und wieso Komplexität zur wichtigsten Ressource der Gegenwart geworden ist, möchten wir in diesem Blog betrachten.

ericschmittObwohl das Versprechen einer besseren Entscheidungsfindung ein Top-Treiber für die Investitionen in analytische Systeme war, sind die von diesen Systemen generierten Informationen nur sehr selten mit Entscheidungen und Ergebnissen verknüpft[1]. Wie die Analysten von IDC in einer Untersuchung feststellen[2], liegt der wesentliche und damit zusammenhängende Mangel der verfügbaren Software in der Gleichsetzung von Entscheidungsunterstützung mit der reinen Bereitstellung von Informationen. Es reicht nicht aus einer Person einfach nur Fakten in Bezug auf Umsatz oder Gewinn, Bestand oder Kundenzufriedenheit zu liefern. Die Angabe, dass eine KPI-Schwelle überschritten wurde oder sich ein Trend in den Daten herausgebildet hat, bieten dem Einzelnen noch keine Funktionalität, um Alternativen zu bewerten, die Wahrscheinlichkeiten potenzieller Ergebnisse auf der Grundlage von Vorhersagen einzuschätzen, von Kollegen zu lernen, die Wirkungsbeziehung von KPIs zu verstehen oder auf Basis der Bewertung von Einschränkungen und Risiken optimierte Empfehlungen zu erstellen.

So wie man kein digitales Unternehmen werden kann, indem man einfach immer mehr und mehr Geräte kauft, kann man auch kein datengesteuertes Unternehmen werden, indem man einfach immer mehr Dashboards erstellt. So berichtete uns kürzlich eine Top-Level Entscheiderin unseres Kunden von über 300 Dashboards die ihr zur Verfügung stünden, von denen sie kein einziges aktiv nutzt. Das Problem ist nicht, dass sie nicht gerne datenbasiert Entscheidungen treffen möchte, sondern dass bei wesentlichen Entscheidungen nicht klar ist, welches dieser Dashboards ihr dabei helfen könnte. Der Fehler liegt nicht bei der Person, sondern am fehlenden Kontext. 

PeterDruckerDecisionsWie Peter Drucker schon wusste, beginnen Entscheidungen niemals mit den Fakten. Die meisten Daten aus der realen Welt sind an den Kontext gebunden sind, in dem sie gesammelt wurden. Selbst wenn Daten die gleiche Sache messen, sind zwei gekoppelte Datensätze in der Regel heterogen. Nehmen wir an, Sie messen etwas so einfaches wie die Temperatur in einem Kühlschrank, der Ort, an dem das Messgerät angebracht ist, die Art der Dichtungen, die verwendeten Türen usw. spielt eine wichtige Rolle. Aber wenn Daten so untrennbar mit externen Faktoren verbunden sind, können sie nicht fehlerfrei bereinigt oder angepasst werden, um einem anderen Datensatz exakt zu entsprechen. 

Daten in komplexen Situationen entfalten ihren wahren Wert erst dann, wenn wir sie im Kontext mit anderen verfügbaren Informationen betrachten. Komplex und kompliziert darf man nicht verwechseln. Kompliziertheit ist ein Maß für Unwissenheit. Sie verschwindet durch Lernen. Komplexität ist das Maß für die Menge der Überraschungen, mit denen man rechnen muss. Kompliziertheit kann man reduzieren, Komplexität nicht. Man muss sie erschließen. Wesentliche Entscheidungen dürfen deshalb nicht allein anhand von Daten getroffen werden, weil in komplexen Szenarien immer die Gefahr besteht Zusammenhänge zu übersehen. Dazu ein kleines Beispiel:

Würde eine Weihnachtsgans alle ihr zur Verfügung stehenden Daten auswerten, die Menge an Futter die ihr zur Verfügung steht, die Regelmäßigkeit mit der sie gefüttert wird usw., käme sie vermutlich zu dem Schluss, dass Menschen ihr sehr wohlgesonnen sind. Kurz vor Weihnachten würden vermutlich alle Prognosen über ihre Zukunft äußerst rosig ausfallen - und doch ahnen wir, wird sie schon bald ihre Glaubenssätze revidieren... Was der Gans fehlt sind nicht bessere Daten, sondern der richtige Kontext. 

Dieses umfassende Verständnis über die Zusammenhänge von Ursache und Wirkung der Welt in der wir leben kann aber auf absehbare Zeit nicht durch künstliche Intelligenz ersetzt werden. Aus diesem Grund ist jeder Ruf nach ausschließlich datengetriebenen Entscheidungen ein bisschen so, als würde man mit geschlossenen Augen nur im Licht der Laterne nach dem Schlüssel suchen wollen. ​Weil KI und Machine Learning aber nur in der Lage sind unter der Laterne zu suchen, taugen sie allein nicht für die Entscheidungsfindung in komplexen Szenarien. 

Um in komplexen Situationen gute Entscheidungen zu treffen, braucht es neben Daten immer auch die menschliche Fähigkeit komplexe Zusammenhänge zu verstehen. Wer data-driven werden will, kommt nicht umhin den Wert des Kontext verstehen und muss lernen Komplexität zu erschließen. In unserer heutigen hypervernetzten Welt ist das keine Aufgabe für Einzelkämpfer, sondern erfordert eine Team- und Fachbereichs-übergreifende Zusammenarbeit.

Gerade weil aber komplexe Probleme immer häufiger nicht nur im eigenen Team, sondern domänenübergreifend gelöst werden müssen, werden leicht zu viele Personen zu lange eingebunden. Steigende organisatorische Komplexität, die in starken produktbezogenen, funktionalen und geographischen Bereichen verwurzelt ist, trübt zusätzlich die die Verantwortlichkeiten. In der Folge hat die Zahl der Entscheidungsträger weiter zugenommen. Manager sind so immer weniger in der Lage, Entscheidungen richtig zu delegieren. Geringere Kommunikationskosten aufgrund des digitalen Zeitalters haben die Situation noch verschärft, da mehr Menschen in den Fluss des Wissensaustauschs über E-Mail, Messenger und Group Chats eingebunden wurden, ohne dass die Entscheidungskompetenz geklärt wurde. Führungskräfte verbringen deshalb immer mehr Zeit in Abstimmungen und das immer häufiger ohne Ergebnis. So dauern wesentliche Entscheidungen immer länger, oder werden am Ende ganz einfach nach Bauchgefühl getroffen. Die Zahl der Fehlentscheidungen steigt. In der Folge handeln Unternehmen noch vorsichtiger, entscheiden noch langsamer.

Weil alle Probleme letztlich Unternehmensprobleme sind, müssen sie auch wie solche behandelt werden - und nicht in Domänen-Silos. Abläufe sollten deshalb an Wertströmen und nicht länger an Domänen ausgerichtet sein. Im datengesteuerten Unternehmen müssen Wissensarbeiter nahtlos über Fachbereiche oder räumliche Distanzen hinweg Zusammenhänge erschließen können. Für Unternehmen muss es deshalb vor allem darum gehen sich Kontextkompetenz anzueignen – die Fähigkeit, Zusammenhänge herzustellen. ​Wer das schafft und die Erkenntnisse für andere zugänglich macht, gewinnt (neue) Lösungen, Antworten und Aussichten. Komplexität ist in diesem Kontext nicht länger ein Problem, sondern wird zur wichtigsten Ressource der Gegenwart. 

Wir sind überzeugt, dass dieser Zustand niemals rein technisch getrieben erreicht werden kann. Das Data Mesh bietet für größere Organisationen den nach unserer Einschätzung aktuell besten, weil soziotechnischen Lösungsansatz. Kommen Sie gerne auf uns zu, wenn Sie mehr darüber erfahren wollen. Wir freuen uns auf den Austausch!

Veröffentlich am 24.8.2022

Thema: Datenstrategie, Data Culture, datengesteuerte Entscheidungen